“Keine Rentenpflicht für asoziale Besserverdienende”

Das Zitat in der Überschrift habe ich aus dem folgenden Eintrag auf Twitter:

Rentenpflicht für Selbständige

Doch bevor wir uns dieser geistigen Perle weiter widmen, wollte ich auf das eigentliche Thema hinaus. Es geht um die Pläne von Ursula von der Leyen auch die Selbständigen und Unternehmer mit einer verpflichtenden Rentenversicherung zu beglücken. Infos dazu findet man u.a. an zwei Stellen auf der Webpräsenz von Bundesministerium für Arbeit und Soziales: hier und hier.

Nicht dass wir uns missverstehen. Ich bin sehr dafür, dass man für das Alter vorsorgt – dies tun die meisten Selbständigen auch – und vor allem bin ich großer Anhänger des Solidaritätsprinzips: das ist einer der wichtigsten Gründe warum ich immer noch in der gesetzlichen Krankenkasse bin. Und bevor der Einwand mit den Kindern kommt, ich bin viel länger Selbständig als ich Familienvater bin. 😉

Aber das was man aus den beiden oben verlinkten Dokumenten herauslesen kann lässt auf nicht wirklich was gutes und durchdachtes hoffen. Schon jetzt haben wir eine gewisse Benachteiligung von Selbständigen und Unternehmern bei der gesetzlichen Krankenkasse. Diese gehen einfach davon aus, dass alle Selbständigen mind. etwa 1950 Euro verdienen, denn die Beitragsbemessungsgrundlage fängt bei ungefähr diesem Wert an: “Krankenkassenbeitrag: Selbstständige und andere freiwillig Versicherte“.

Daraus resultiert, dass ein Selbständiger oder Unternehmer, der vor hat sich in einer gesetzlichen Krankenkasse zu versichern, mind. 320-340 Euro zahlen muss … je nach Kasse. Auch wenn er weniger als die 1.950 Euro verdient. Erst derjenige der mehr verdient, zahlt die Beiträge, die sich dann nach seinem Verdienst ausrichten. Will der Selbständige auch Krankengeld ab der 7 Woche haben, dann muss er einen extra Vertrag abschließen und einen Zusatzbeitrag entrichten.

Die geplante “Zwangsrentenversicherung” für Selbständige wird aber noch Stück weit ungerechter sein, da sie gar nicht an den Verdienst gekoppelt sein wird. Schon alleine das hat für mich gereicht um die Petition gegen diese “Zwangsversicherung” zu unterschreiben:

Petition: Grundsatzfragen zum Beitrags- und Versicherungsrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung – Keine Rentenversicherungspflicht für Selbständige vom 28.03.2012

Hinzu kommen weitere Aspekte, die ich nicht verstehe. Warum sind Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte etc. nicht mit im Boot? Wie wird die private Vorsorge angerechnet und welche Arten der privaten Vorsorge werden akzeptiert?

Ich kenne z. B. einen Unternehmer der hat so viel Ware im Lager (deren Wert mit der Zeit eher steigt), dass wenn er diese auch knapp unter dem Einkaufswert verkauft er mind. 10 Jahre davon leben kann. Nimmt man noch das was er gespart hat hinzu, dann kann er sich mal locker 15-16 Jahre zu Ruhe setzen. Was wird aus solchen und ähnlichen Fällen?

Wie werden bei den vielen Selbständigen und Unternehmer die Zeiten berücksichtigt, die sie als Arbeitnehmer in die Rentenkasse eingezahlt haben? Die Klärung dieser und weiterer Aspekte ist wichtig.

Ich persönlich denke, es wird wieder Zeit dass wir uns alle mit dem Thema “Bürgerversicherung” auseinandersetzen. Und zwar eine die nicht nur die Kranken- sondern auch Pflege- und Rentversicherung abdeckt. Jeder zahlt ein und zwar von allen Verdienstarten: egal ob Tantiemen, Verdienst als Selbständiger oder abhängig Beschäftigter, Kapitalerträge etc. Und es wäre schön wenn auch Politiker und Beamte teilnehmen würden. 😉

Zitat: “Keine Rentenpflicht für asoziale Besserverdienende”

Nun kommen zu dem Zitat Keine Rentenpflicht für asoziale Besserverdienende. Das entdeckte ich im Twitter-Account von @ennomane als Antwort auf die Facebook-Veranstaltung “E-PETITION GEGEN RENTENPFLICHT FÜR SELBSTÄNDIGE“.

Wenn ich das richtig sehe ist er Landesschatzmeister der Piratenpartei Berlin. Ich finde das sehr herrlich: ein Piraten-Funktionär tituliert Selbständige und Unternehmer als asoziale Besserverdienende. Ich habe ihn zwar darauf angesprochen, aber keine Antwort bekommen.

Weiterführende Links zum Thema:

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15 Kommentare

  1. Habe auch gezeichnet, glaube aber nicht an einen Erfolg. Der SPD scheinen die Leyen-Pläne noch nicht weit genug zu gehen.

  2. So ein Mist. Man sagt ja immer selbst und das ständig… Was für mich heißt ich sorge auch selbst für meine Rente vor und brauche da keine Verpflichtungen oder Zwänge.

  3. Deinen Beitrag kann ich bezüglich der Bürgerversicherung nur unterstützen. Langfristig lässt sich nur auf diese Weise, eine Versorgung der gesamten Bevölkerung erreichen und damit ein soziales Gleichgewicht herstellen. Anderenfalls droht eine Zuspitzung der sozialen Konflikte und eine finanzielle Unterversorgung der Sozialversicherungen. Welche Probleme dabei entstehen können, zeigten zuletzt die drastischen Beitragserhöhungen bei den privaten Krankenversicherungen. Zudem erfüllen bestehende Modelle und das geplante Modell diesen Anspruch nicht ansatzweise, da viele Gelder willkürlich erhoben und umverteilt werden.

    Das im geplanten Entwurf Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte befreit sind, liegt doch auf der Hand: Schließlich stellen sie ja die größte Gruppe an Bundenstagsabgeordnete. Ein Schelm, wer Böses denkt.

    Sollte sich der “Pirat” vielleicht in seinem Zitat auch darauf bezogen haben, könnte ich dieses sogar nachvollziehen. Warum sollten sich gerade Spitzenverdiener der Solidargemeinschaft entziehen?

    1. @Fabian,

      Sollte sich der “Pirat” vielleicht in seinem Zitat auch darauf bezogen haben, könnte ich dieses sogar nachvollziehen. Warum sollten sich gerade Spitzenverdiener der Solidargemeinschaft entziehen?

      habe ich zwischendurch auch gedacht, aber dann hätte zumindest ich nicht auf die FB-Gruppe sondern auf die Angabe des BMAS verlinkt.

  4. Dein Tweet war ja auch eher ein Kommentar seiner Äußerung, als eine direkte Ansprache. 😉
    Dass er dir nicht direkt antwortete ist schade, aber mit einem kurzen Blick in sein Twitter-Profil, kann man leicht sehen, dass er das Thema, sowohl die Selbständigkeit, als auch die geplante Versicherung ingesamt doch differenzierter betrachtet.

    Die hier zitierte Aussage war überspitzt, nicht gerade twitteruntypisch und bezogen auf nicht selten polemisierende Facebook-Aktionen kann ich das durchaus nachvollziehen.

    1. @Paul,

      Dein Tweet war ja auch eher ein Kommentar seiner Äußerung, als eine direkte Ansprache. 😉

      es haben ihn ein paar Leute auch direkter angesprochen, aber ich konnte keine Reaktionen erkennen.

  5. Da ich weder selbständig, asozial noch besserverdienend 😉 bin, betrifft mich das ganze zwar nicht. Unterschrieben habe ich aber trotzdem, da ich jeder Art solchen Zwangs nicht mag.
    Es geht hier doch nicht darum, dass “ihr” euren Lebensabend abgesichert habt, sondern darum, dass jetzt mehr Geld in die Kassen kommt. Geld was eh nicht reicht, wenn man keine zusätzliche private Vorsorge hat.

  6. Nicht zu vergessen ist, dass die Rentendefizite schon seit zig Jahren durch Steuern querfinanziert werden. Steuern, die in nicht unerheblichem Maße anteilig von Selbstständigen gezahlt werden, ohne dass diese an den staatlichen Leistungen beteiligt werden. Gleichzeitig versperrt man “uns” gezielt den Weg in andere Sozialversicherungssysteme, z.B. in die Arbeitslosenversicherung.

  7. @Bernd oder jemand anderem, der /die es weiß: ist bekannt, in welcher Höhe und gibt es dazu im Web was? Würde es gerne in meinem Senf (Milchmädchenrechnung) dazu ergänzen. Das wären weitere Einnahmen – neben Krankenkassenbeiträgen -, die den Kassen entgehen, wenn zig Tausende Kleine Gewerbetreibende und Freiberufler aufhören müssten.

  8. @Bernd: Nein, die Renten werden nicht “Quersubventioniert” sondern erhalten einen Zuschuss aus Steuermittel, weil die Rentenkassen für Leistungen bezahlen müssen, die eigentlich vom Steuerzahler finanziert werden müßten oder von Arbeitgebern, z.b. die Frühverentung. Genaueres steht auch auf Wikipedia.

    Das die Rente kein Minus macht, läßt sich aber auch an der aktuellen Diskussion um die Senkung der Beiträge festellen.

  9. @Struppi: aber das sag ich doch. Du nennst auch direkt das richtige Besipiel, die Altersteilzeit, der milliardenschwere steuersubventionierte Traum aller Großkonzerne. Wir finanzieren also als freiberufliche Steuerzahler Dutzende von Leistungen, an denen wir selbst niemals beteiligt werde und sollen nun – natürlich weiterhin vom restlichen staatlichen Versorgungssystem ausgesperrt – für eine völlig fiktive Mindestrente zusätzlich zur Kasse gebeten werden.

    Und dann nehmen wir noch den unkalkulierbaren Nachhaltigkeitsfaktor oder z.B. die für Freiberufler nicht mögliche betriebliche Altersvorsorge (die wiederum stark die o.e. Altersteilzeit beeinflusst) oder … wenn die Politik uns gerne zum Melken im Boot hätte, sehr gerne. Aber dann bitte komplett gleichgestellt, in allen Bereichen und auf gleicher Berechnungsgrundlage.

  10. Ein Nebenprodukt der beruflichen Selbständigkeit besteht darin, dass den meisten Selbständigen mehr oder weniger schmerzvoll bewusst ist: Geld ist nicht das, was automatisch hinten raus kommt – und mit „hinten“ ist natürlich nur das Ende des Monats gemeint. 😉
    Die Euros auf dem Girokonto sind in der Regel mit einem ordentlichen Quäntchen Sich-drum-kümmerns dort gelandet, wobei das einfache Versenden einer selbst geschriebenen Rechnung noch den erfreulichen Teil des Procedere darstellt. Blöder wird’s bei kundenseitigem Zahlungsverzug.

    Dass ein so erwirtschaftetes Einkommen, wenn es denn reicht, um es in eine Altersvorsorge zu stecken, mit minimalem Risiko investiert sein will, liegt auf der Hand. Und an dieser Stelle sind die Staatsvertreter/innen imho einfach komplett betriebsblind: das Renten- ist ein Schneeballsystem. Und als solches mit einem extrem hohen Investionsrisiko behaftet, weil es eben nur so lange funktioniert, wie mehr Leute einzahlen als davon leben.
    Moral und Solidarität hin oder her: Ein/e Berufstätige/r, die/der eine sichere Geldanlage für die Altersvorsorge sucht, muss vom staatlichen Rentensystem unter rein wirtschaftlichen Aspekten einfach die Finger lassen, weil es zu unsicher ist.

    Frohen Vatertag allerseits! 😉

  11. Ich glaube nicht, dass “asoziale Besserverdienende” univok zu “Selbständige” gemeint war. Asozial wäre nur die Idee, dass alle Selbständigen pauschal zahlen sollen. Die reichen würden billig wegkommen, die weniger erfolgreichen in den Ruin getrieben.

    Das Problem ist doch, dass wir kein echtes Solidarsystem in Deutschland haben und dass (Pseudo-)Selbständige sich leicht aus der Affäre ziehen können. Auch die Einbeziehung der Lebensversicherungen in die Insolvenzmasse hilft nur dem Gläubiger (meist Banken). Wir Steuerzahler/Arbeitnehmer müssen im Alter die unfreiwilligen Pleitenvögel füttern.

    Die Ärzte, Anwälte & Co sind unantastbar – wie die höheren Kasten im Hinduismus. Habe nichts gegen Zusatzversicherungen aber zunächst einmal sind wir alle Bürger und sollten eine gemeinsame Versicherung haben. Wenn sich alle Besserverdiener aus der Gemeinschaft in eigene Versorgungswerke zurückziehen, muss das einfache Fussvolk die Paar Kröten unter sich aufteilen. (Und per Steuern die verarmten Mitglieder der besseren Kasten unterstützten.) Das kann nun wirklich nicht fair sein!

  12. Ich kenne z. B. einen Unternehmer der hat so viel Ware im Lager (deren Wert mit der Zeit eher steigt), dass wenn er diese auch knapp unter dem Einkaufswert verkauft er mind. 10 Jahre davon leben kann. Nimmt man noch das was er gespart hat hinzu, dann kann er sich mal locker 15-16 Jahre zu Ruhe setzen. Was wird aus solchen und ähnlichen Fällen?

    Aktuelles Problem des Staats: Sollte dieser Unternehmer Pleite gehen, keinen Besitz mehr haben und keine insolvenzgeschütze Altersvorsorge getroffen haben, steht ihm rechtlich vom Staat eine sogenannte Altersgrundsicherung zu, welche letztendlich der Steuerzahler bezahlt. Deshalb fordert der Staat im neuen Rentenpaket eine nachgewiesen insolvenzsichere Altersvorsorge, die der Altersgrundsicherung entspricht. Wie der Unternehmer darüber hinaus vorsorgt, bleibt ihm überlassen.

    Wie werden bei den vielen Selbständigen und Unternehmer die Zeiten berücksichtigt, die sie als Arbeitnehmer in die Rentenkasse eingezahlt haben?

    Aus den Zeiten als Arbeitnehmer stehen den Selbständigen Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu, welche natürlich insolvenzsicher sind und deshalb auch angerechnet werden dürften.
    Eine “Bürgerversicherung” mag auf den ersten Blick sozialer erscheinen, aber sie löst die aktuellen demografischen und strukturellen Probleme der Sozialversicherungen nicht! Es werden einfach mehr Menschen alt oder krank als junge, gesunde und beitragszahlende nachwachsen. Es bleibt nur, die Beiträge zu erhöhen oder die Leistungen zu kürzen. Unsere Regierung hat sich entschieden, die Leistungen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherungen zu kürzen und dafür aber die Beiträge stabil zu halten. Bei erheblichen Beitragserhöhungen fürchten sie wohl nicht, wiedergewählt zu werden. 😈
    Warum versucht die Regierung, den Bürger dazu zu bewegen, auch privat vorzusorgen? Die Hoffnung besteht darin, daß die Leistungen einer privaten Rentenversicherung kapitalgedeckt sind. Die Gefahr von Veränderungen der Leistungen durch eine Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung besteht hier nicht.

    Sorry für diesen langen Kommentar :mrgreen:

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